03.03.2020
Morgen beginnt die intensive Probenphase. Das Ensemble ist im letzten halben Jahr zu einer eingeschworenen Truppe geworden, alle wissen, was von ihnen abhängt. Für die nächsten zwei Wochen haben alle sowohl ihre Freizeit als auch einen großen Teil ihrer Konzentration auf die Schule beiseitegelegt, ab jetzt zählt nur eins: der 13.03, Premierentag. Die nächsten Tage werden hart, es warten ca. 56 Stunden Probenzeit, die Technik-AG legt sogar noch sechs Stunden Nachtschicht drauf, schließlich muss es für die Lichtprobe dunkel sein.
Am Ende wird es sich lohnen, da sind sich alle sicher.
04.03.2020
Der Vorspann startet. Die Probenzeit am Mittwoch ab 15 Uhr ist zwar schon lange in den Biorhythmus der Schauspieler übergegangen, doch die Dauer von fünf Stunden ist für alle neu.
Es herrscht gute Laune, einzig die Vorstellung, am nächsten Tag zur Schule zu gehen, trübt so manches Gemüt.
05.03.2020
Ab heute zählt es. Die Kostüme liegen bereit, selbst die Jungs hocken mit Eyeliner vorm Schminkspiegel, da müssen sie durch, Widerspruch nützt nichts. Ohne Makeup sieht man unter den hellen Scheinwerfern aus, wie eine Leiche, Schminke hilft dagegen.
Obwohl alle das Stück kennen, ist der Sprung von einzelnen geprobten Szenen zu einem ganzen Musical groß. Die Abläufe sitzen nicht und am Text hapert es auch noch. Trotzdem sind alle motiviert bei der Sache, hinter der Bühne werden noch fleißig alle Lieder mitgesungen.
06.03.2020
Freitag, der längste Tag. So eine Herausforderung nimmt man am besten in Etappen, alle warten auf das Zwischenziel: Mittagessen. Auch den Neuzugängen der AG fällt auf, dass „Probenwochenende“ auch oft „Warten“ heißt. Besonders schwierige Szenen brauchen lange, um so auszusehen, dass auch Zuschauer sie interessant finden.
Wie muss das Bühnenbild aussehen, welche Worte werden betont und wer geht wo lang, damit das Badezimmer nicht am Ende fünf Türen hat? Alles Fragen, mit denen sich das Regieteam herumschlagen muss. Besonders Bandleiter Henkel muss das Multitasking beherrschen, mit der einen Hand Klavier spielen, mit der anderen dirigieren und parallel dazu acht MusikerInnen und über 20 SchauspielerInnen unter Kontrolle halten.
07.03.2020
Trotz des spontanen Geburtstags-Sit-Ins am vorherigen Abend sind alle wieder pünktlich angetreten. Parallel zur eigentlichen Probe werden letzte Requisiten vorbereitet, die Technik-AG bastelt an den letzten Feinheiten und verstärkt alle Kisten, damit nicht während der Aufführung ein Unfall passiert.
Es wird langsam besser, auch das gestrige Sprechtraining mit Profi-Schauspielerin Butting zeigt Wirkung. Der zweite Akt des Stücks braucht, obwohl das Geschehen auf der Bühne noch oft unterbrochen werden muss, nur noch ca. drei Stunden. In ein paar Tagen wird es dann hoffentlich auch ohne Unterbrechungen der Regie klappen.
08.03.2020
Die Lichtprobe bis um 00:59 Uhr hat Spuren hinterlassen, die Männer hinter den Scheinwerfern schauen etwas müde in die Runde. Das legt sich aber schnell, als die SchauspielerInnen durch die Farben und Effekte neue Begeisterung finden. Zwar müssen die einen oder anderen Abläufe durch die veränderten Bedingungen noch einmal über den Haufen geworfen und neu geplant werden, trotzdem wird vor allem an den Details gearbeitet.
Es fehlt noch eines zur perfekten Show: die Routine. Die anstehenden Hauptproben werden sie bringen, heute wurde schon fast geschafft, das ganze Musical einmal zu spielen. Stunts müssen heute allerdings noch einmal ausfallen.
09.03.2020
Die Hauptproben starten trotz der intensiven Proben der letzten Tage leicht holperig. Es geht endgültig darum, die kleinen Details zu perfektionieren. Das kostet zwar Zeit und Nerven, muss aber sein, wenn am Ende die perfekte Show dabei herauskommen soll.
Obwohl die Schule in der intensiven Probenphase zwar offengesagt für die meisten eher zweitrangig ist, sieht man im Backstage-Bereich immer wieder vereinzelt fleißige Bienchen, die über ihren Mathenotizen oder „Bio Abitur 2021“ Büchern brüten.
10.03.2020
Langsam merkt man allen die vergangenen Tage an, das Wochenende steckt den SchauspielerInnen in den Knochen. Fehler passieren immer noch, aber das ist auch gut so. Alles, was in den Proben falsch gemacht wird, funktioniert in drei Tagen reibungslos – hoffen zumindest alle. Große Probleme zeigen sich nun besonders, wenn es darum geht, auf der Bühne keinesfalls zu lachen.
Wenn man sich dazu noch einen vollen Saal mit Zuschauern vorstellt, die alle laut loslachen, wird das zu einer großen Herausforderung. Nicht, dass auf der Bühne nie gelacht werden würde, das auch im richtigen Moment zu machen, ist eine Kunst.
11.03.2020
Mittwoch heißt freier Tag. Keine Proben, ein Tag ohne das neue Zuhause, die Aula. Es herrscht Ratlosigkeit bei den SchauspielerInnen, niemand weiß etwas mit der Freizeit anzufangen.
12.03.2020
Tag der Generalprobe. Alle werfen sich in Schale, das Makeup sitzt, das Outfit passt, nach dem Einsingen mit obligatorischen Sssss-, Schschsch- und AaaauuuuiiiioooLauten geht es los. Dieses Jahr dürfen sogar andere SchülerInnen zuschauen, jedoch ahnen nur die wenigsten, dass es die vorerst einzige Vorstellung mit Publikum sein wird. Wie es sich für eine Generalprobe gehört, geht ziemlich viel daneben, so viel sogar, dass mehrere Improvisationseinlagen nötig waren, um das Geschehen am Laufen zu halten. Am Ende waren die Zuschauer zufrieden und die Schauspieler hatten Spaß.
Nach einem zweiten Durchgang ohne Publikum folgt die Ernüchterung: Alle Vorstellungen müssen abgesagt werden. Man könnte meinen, das komplette letzte Jahr an Arbeit war umsonst. Als Trost bleibt uns allerdings, dass wir die Zeit zusammen mit vielen tollen Menschen verbringen konnten und, dass wir es tatsächlich geschafft haben, ein Stück auf die Beine zu stellen.
Es gab vielleicht auch ein wenig Streit, Stress und Schlafmangel, doch das alles wird um längen in den Schatten gestellt vom Spaß, den wir zusammen hatten. 40 Menschen, die so vorher oft noch nicht viel miteinander zu tun hatten, sind zu einem echten Team geworden.
– pgb